Widerrufsrecht

Das Widerrufsrecht stellt gemäß § 355 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ein Recht jedes Verbrauchers dar, sich unter bestimmten Umständen von einem bereits geschlossenen, aber noch schwebend wirksamen Vertrag innerhalb gesetzlicher Fristen durch Erklärung des Widerrufs zu lösen. Dabei handelt es sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz pacta sunt servanda, wonach Verträge normalerweise für beide Seiten verbindlich sind. Es ist ein zwingend eingeräumtes Recht für Verbraucher bei Verträgen, bei denen per Gesetz ausdrücklich ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt wird. Die Bestimmungen wurden zuletzt durch das Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge vom 27. Juli 2011 (BGBl. I S. 1600) mit Wirkung zum 4. August 2011 geändert. Die Änderungen betreffen die Paragraphenkette zur Widerrufsfrist, Hinweise zum Wertersatz sowie die Kosten der Rücksendung bei einem Warenwert bis zu 40 EUR (sog. 40-Euro-Klausel). Letztere wird aber demnächst durch neue EU-Regeln wieder entfallen.

Grundlage Widerrufsrecht

Ein Verbraucher im Sinne des § 13 BGB kann nur eine natürliche Person sein, die ein Rechtsgeschäft, beispielsweise einen Kaufvertrag, abschließt. Das Rechtsgeschäft darf weder einer gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden. Juristische Personen oder Unternehmer gem. § 14 Abs. 1 BGB sind keine Verbraucher. m Deutschen Recht gewährt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) aus Gründen des Verbraucherschutzes einem Verbraucher, z. B. einem Käufer, gegenüber einem Unternehmer, z. B. einem gewerblich tätigen Verkäufer, bei speziellen Vertragsarten ein Recht zum Widerruf.

Ausübung beim Widerrufsrcht

Der Widerruf bedarf gemäß § 355 keiner Begründung und kann durch Widerrufserklärung in Textform, und bei Warenlieferungen auch durch Rücksendung der Ware erfolgen. Zur Wirksamkeit muss aus der Handlung des Verbrauchers lediglich der Wille erkennbar werden, dass er nicht mehr an seine Willenserklärung gebunden sein möchte. Bestimmte Formulierungen oder gar die Verwendung von Formularen oder vom Unternehmer vorgegebener Vordrucke sind weder erforderlich, noch können sie wirksam als zwingend vereinbart werden.

Auf die Fristen achten

Um wirksam zu werden, muss der Widerruf innerhalb der Widerrufsfrist ausgeübt werden. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die Absendung des Widerrufs vor Fristablauf. Die Länge der Widerrufsfrist beträgt im Normalfall zwei Wochen. Die Widerrufsfrist beginnt frühestens dann zu laufen, wenn der Verbraucher eine wirksame Widerrufsbelehrung erhalten hat, im Fernabsatz jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger (bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor Eingang der ersten Teillieferung). Spätestens 6 Monate nach Vertragsschluss, bei der Lieferung von Waren allerdings nicht vor Erhalt der Widerrufsbelehrung in Textform, erlischt es. Das bedeutet, dass ohne ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung ein Widerruf unbefristet möglich ist. Erfolgt die Belehrung erst nach Vertragsschluss, verlängert sich die Widerrufsfrist auf einen Monat. Durch die Änderungen wurde diese Verlängerung nunmehr eingeschränkt:

Im Falle von automatisch geschlossenen Verträgen (beispielsweise zeitgesteuert wie bei eBay) ist eine unverzüglich nach dem Vertragsabschluss erfolgende Widerrufsbelehrung einer Solchen vor Vertragsabschluss gleichgestellt und erlaubt daher eine Widerrufsfrist von wiederum 14 Tagen. Dabei ist die Anforderung an eine ‚unverzügliche’ Übersendung dieser Belehrung nicht klar geregelt. Eine Zeitspanne von maximal 24 Stunden gilt hierfür jedoch allgemein als ausreichend. Insbesondere bei Verwendung automatisierter Systeme zur Abwicklung eingegangener Aufträge/Käufe muss der Händler jedoch sicherlich auf eine korrekte Übersendung der Widerrufsbelehrung im Rahmen dieser automatischen Reaktion achten. Bei eBay ist dabei allerdings noch unklar, wann ein Vertrag zu Stande kommen soll: So ist das Landgericht Dortmund in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Auffassung eines Antragstellers gefolgt, dass bereits bei der Abgabe des ersten Gebotes ein Vertrag zustande kommt. Somit wäre eine Widerrufsbelehrung, die zwar kurzzeitig nach Auktionsende, gleichwohl aber erheblich nach Abgabe des ersten Gebots erfolgt, zu spät. Die Auffassung des Landgerichts Dortmund findet man allerdings bei anderen Gerichten nicht wieder, die vielmehr den Vertragsschluss erst bei Auktionsende erkennen. Gleichwohl fehlt eine eindeutige Einschätzung des Bundesgerichtshofs bisher.

Anforderungen

  • Sie muss deutlich gestaltet sein.
  • Sie muss dem Kunden in Textform, d. h. in einer zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise, zugehen (Text auf Webseite genügt nicht, er muss zumindest per Mail, Fax oder Brief dem Kunden vorliegen).
  • Sie muss den Verbraucher darüber belehren, dass er ein Widerrufsrecht hat und wie er es ausüben kann.
  • Sie muss Namen und Anschrift desjenigen enthalten, an den die Widerrufserklärung oder die Warenrücksendung zu richten ist.
  • Sie muss einen Hinweis auf die Dauer und den Beginn der Widerrufsfrist enthalten.
  • Beim Haustürgeschäft muss die Widerrufsbelehrung außerdem einen Hinweis auf die Rechtsfolgen des Widerrufs enthalten (§ 312 Abs. 2 BGB).

Für manche Verträge verlangt das Gesetz eine schriftliche Vertragsurkunde, so bei Teilzeit-Wohnrechteverträgen (§ 481 und § 484 BGB, siehe dazu Ferienwohnrecht) und bei Verbraucherdarlehensverträgen (§ 491 und § 492 BGB). Bei solchen Verträgen beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher diese Vertragsurkunde oder sein schriftlicher Antrag ausgehändigt wird (in Urschrift oder in Abschrift). Ist der Fristbeginn streitig, so trifft die Beweislast den Unternehmer.

Erlöschen und Rechtsfolgen

Das Widerrufsrecht besteht, bis die Widerrufsfrist abgelaufen ist. Bis dahin befindet sich der Vertrag in einem Schwebezustand, der mit den Worten „schwebend wirksam“ beschrieben werden kann: Er gilt als wirksam, wobei dies jedoch unter dem Vorbehalt steht, dass der Vertrag jederzeit durch Ausübung des Widerrufsrechts untergehen kann. Insbesondere kann der Fristablauf deshalb unterbleiben, weil der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Ohne ordnungsgemäße Belehrung läuft die Frist zur Ausübung des Widerrufsrechts gem. § 355 Abs. 4 S. 3 BGB niemals ab. Um den Unternehmern die ordnungsgemäße Belehrung zu erleichtern, enthält die BGB-Informationspflichtenverordnung (BGB-InfoV) einen amtlichen Mustertext. Dieser ist allerdings aufgrund verschiedener Umstände rechtlich äußerst umstritten. Sofern man ihn für fehlerhaft hält, hat das zur Folge, dass alle Verträge, bei denen der Unternehmer mithilfe des Mustertextes die Belehrung vorgenommen hat, die entsprechenden Verträge möglicherweise noch über Jahre rückabgewickelt werden können (für die Fehlerhaftigkeit das Landgericht Koblenz[6]). Für die Zeit ab 2005 ist diese Frage besonders umstritten. Im Rahmen der Änderung der gesetzlichen Bestimmungen ab dem 11. Juni 2010 wurde die BGB-InfoV außer Kraft gesetzt und teilweise durch entsprechende Bestimmungen im Rahmen des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ersetzt. Dort ist auch ein Mustertext zur Widerrufsbelehrung gemäß den neuesten Bestimmungen enthalten. Da dieser Text nunmehr Gesetzesrang besitzt, ist er rechtlich nur aufgrund eindeutiger Unrichtigkeiten anfechtbar und ist ansonsten nicht durch andere Anforderungsprofile zu ersetzen. Bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen besteht das Widerrufsrecht ferner solange, bis der Unternehmer seine Mitteilungspflichten gemäß § 312c Abs. 2 Nr. 1 BGB ordnungsgemäß erfüllt. In allen übrigen Fällen (bei ordnungsgemäßer Belehrung) erlischt das Widerrufsrecht spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss. Bei der Lieferung von Waren beginnt die Frist aber nicht vor dem Tag ihres Eingangs beim Empfänger.

Die Rechtsfolgen des Widerrufs ergeben sich aus § 357 BGB: Wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht wirksam ausübt, ist er nicht mehr an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung gebunden, so dass kein wirksamer Vertrag geschlossen ist. Erhaltene Waren muss der Verbraucher zurücksenden, wenn sie sich für den Paketversand eignen. Andernfalls muss der Unternehmer, wenn er seinen Rückgabeanspruch durchsetzen will, die Ware abholen. Bei der Rücksendung trägt der Unternehmer die Kosten und die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Beschädigung beim Transport. Für die Rückabwicklung verweist das Gesetz auf die Vorschriften über den Rücktritt. Ebenfalls eine Unsicherheit im Sinne der Verwendung in der Widerrufsbelehrung ist der Wertersatz für bereits gelieferte Waren, deren Wert durch die Ingebrauchnahme durch den Käufer reduziert wurde. In zahlreichen Widerrufsbelehrungen wird eine Wertersatzpflicht grundsätzlich festgelegt, sofern der Käufer die Ware wie ein Besitzer in Gebrauch nimmt und nicht lediglich begutachtet, wie dies beispielsweise in einem Ladengeschäft möglich wäre. Laut einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist eine solche, generelle Wertersatzpflicht unzulässig, da dadurch das Widerrufsrecht des Käufers beschränkt bzw. mit finanziellen Risiken verbunden und dadurch unter Umständen unterlaufen wird. Laut Europäischem Gerichtshof hat der Verkäufer das Recht, eine derartige Wertersatzpflicht festzulegen, muss dies aber in einem einzelfallbezogenen Hinweis tun. Aus den Belehrungspflichten des BGB und des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB) ergibt sich, dass der potentielle Käufer auch über diesen Aspekt des Vertrages vor dessen Abschluss zu informieren ist. Allerdings wurde auch hier eine Information, die unmittelbar nach Vertragsabschluss erfolgt, einer Information vor Vertragsabschluss gleichgestellt. Diese Klarstellung stellt für den Käufer eine erhebliche Minderung seines finanziellen Risikos aus einem Widerspruch dar, da eine Wertersatzpflicht sich nach der ursprünglichen Regelung bereits durch das Öffnen einer versiegelten, nicht ohne Beschädigung zu entfernenden, Verpackung (beispielsweise verschweißter sog. Blister) ergeben konnte (derartige Ware kann der Verkäufer in der Regel nicht mehr als Neuware verkaufen; das verursacht bereits einen Wertverlust). Allerdings erhöht es den potentiellen Schaden des Unternehmers aus einem Widerspruch, was zu Versuchen führen kann, diese Regelung durch entsprechende Bestimmungen in den AGB zu umgehen.

 

Bild: Q.pictures  / pixelio.de  

 

Anmerkung:
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